Prof. Dr. Franz-Reinhold Diepenbrock , Fachbereich Mathematik und Naturwissenschaften
, Bergische Universität Wuppertal
Pannen, Beinahe-Pannen und nur vermeintliche Pannen beim
Mathematik-Zentralabitur NRW in den Jahren 2008 , 2010 und 2011
2008 :
1. die Panne mit der Oktaederaufgabe ("Oktaeder des Grauens") . Außer
der Aufgabe selber ist aber auch noch grauenvoll, dass in vielen Presseartikeln
und sonstigen Informationen die Aufgabe als "unlösbar" dargestellt
wird. Sie ist durchaus lösbar, es kann gar keine Rede von "Unlösbarkeit"
sein, aber sie ist viel zu zeitaufwendig für eine Mathematik-Abituraufgabe.
2. die Panne mit der Basketballaufgabe (auch Nowitzki-Aufgabe genannt)
basketballaufgabe.html
Hier findet sich auch der von mir mitunterzeichnete offene Brief
an die damalige Schulministerin Barbara Sommer. Zitat aus dem offenen Brief
"Damit wird die Aufgabe unsinnig und unlösbar. ..... Die vollkommene
Vermischung der beiden Begriffe macht die Aufgabe unlösbar mit der Konsequenz,
dass die Lösung des Ministeriums schlichtweg unsinnig ist."
2010:
Pannen mit den Stochastikaufgaben M LK HT7 und M LK HT8. Alle wichtigen
Informationen finden sich hier: zentralabitur_nrw_2010_stochastik.html
( u.a. Stellungnahmen zu den Aufgaben, in der Presse veröffentlichte
Berichte dazu etc.). Bei beiden Aufgaben ist jeweils ein Aufgabenteil inakzeptabel.
Dennoch sind vom NRW-Schulministerium am 17. August 2010 diese Aufgaben
ohne jeglichen Kommentar, ohne jeglichen Hinweis auf die Fehlerhaftigkeit
bzw. Problematik auf der Internetseite http://www.standardsicherung.schulministerium.nrw.de/abitur-gost/fach.php?fach=2
veröffentlicht worden Auch wenn aus dokumentarischen Gründen
eine Veröffentlichung des Original-Wortlauts sinnvoll ist, so sollte
doch durch eine Kommentierung dafür gesorgt werden, dass Lehrer und
Schüler nicht bei der Vorbereitung auf das nächste Abitur mit Fehlerhaftem
konfrontiert werden, das sie möglicherweise gar nicht als fehlerhaft
erkennen. Ergänzung hierzu in dem Abschnitt "und
die weitere Fortsetzung der Geschichte" in zentralabitur_nrw_2010_stochastik.html
2011:
Probleme gab es mit den Aufgaben M GK HT1 , M GK HT2 und M GK HT3 zur
Analysis. Aber man muss hier differenzieren.
Fehler in M GK HT2 wurden am Tag vor der Klausur erkannt, die Schulen
wurden darüber benachtrichtigt, und letztlich hatten die Klausurteilnehmer
dann bei der Klausur diese Aufgabe in korrekter Form. Insofern gab es zu
dieser Aufgabe eine Beinahe-Panne
Eine weitere Beinahe-Panne
gab es dann bei einer Aufgabe der Wiederhol-Klausur am 26. Mai.Es wurde
am Vortag entdeckt, dass eine Zahl falsch war.
Die beiden anderen Analysis-Aufgaben wurden vielfach unter folgendem
Aspekt kritisiert: In den "Vorgaben" zum Zentralabitur für 2011 (die
Vorgaben ändern sich nur geringfügig oder gar nicht von Jahr zu
Jahr) sind für den Leistungskurs auch "Funktionsscharen" angegeben,
für den Grundkurs hingegen nicht. In der Tat kam in der Grundkursaufgabe
M GK HT1 eine Funktionsschar vor. Aber die Funktionsschar entstand dadurch,
dass eine Funktion bzw. Kurve einfach nur mit einem Faktor gestreckt wurde.
Das lernen die Schüler schon in der achten Klasse, beispielsweise mit
Parabeln, die gestreckt werden. Außerdem gab es schon auf dem ersten
Blatt zu dieser Aufgabe eine Zeichnung, aus der die Klausurteilnehmer sehr
schön anschaulich erkennen konnten, wie sich der Faktor bei der Streckung
auswirkt.
Hier ist die Zeichnung:
Um genau zu sein. Die Funktion war
a mal ( 1 - e hoch ( - 0,25 t))
Die sogenannte Eulersche Zahl e ist auch den Grundkursschülern
bekannt, die unabhängige Variable ist hier nicht x, sondern t, weil
im Aufgabentext die Zeit vorkommt, und a ist zwar ein Parameter, und somit
ist eine Kurvenschar (für a größer 0) gegeben, aber erstens
ist sowas aus der Mittelstufe ja schon bekannt, und zweitens erleichtert
die erwähnte Zeichnung ja sehr das Verständnis.
Wenn man sich an dem Vorkommen des Parameters a stört, dann ist
wirklich die Frage zu stellen: Ist das "Rechnen mit Buchstaben" für
Grundkurs-Abiturienten etwa schon unzumutbar?
Für die Aufgabe M GK HT3 gilt ähnliches, und so sind die Probleme
mit diesen beiden Aufgaben lediglich als vermeintliche Pannen einzustufen.
In fast allen Berichten in der Presse, in Online-Portalen der Presse,
in Rundfunk- und Fernsehbeiträgen des WDR wurde - wenn überhaupt
so genau berichtet wurde - die Kritik an den angeblich nicht zulässigen
Funktionsscharen einfach übernommen. Dabei ist zu bemerken, dass die
Journalisten in aller Regel überhaupt gar nicht über die Original-Aufgabentexte
verfügten und wohl auch im allgemeinen gar nicht wussten, dass eine
anschauliche Zeichnung im Aufgabentext den Klausurteilnehmern helfen konnte.
Natürlich waren in den Berichten oft auch Fehler, beispielsweise
die fehlerhafte Feststellung, dass es drei Mathematikaufgaben gegeben hätte.
In wirklichkeit gab es drei Aufgaben zum Teilgebiet Analysis (jeweils drei
für den Grundkurs und drei für den Leistungskurs). Sehr irreführend
waren Berichte, in den von "unlösbaren" Aufgaben die Rede war. Die
Aufgaben waren keineswegs unlösbar.